„Bitte, sag’ mir einmal ganz ehrlich, wenn ich aufhören soll.“
Diesen Satz sagte mein Vater lächelnd zu mir, als ich im Alter von 20 Jahren in unseren Familienbetrieb eintrat.
13 Jahre später bat ich meinen Vater tatsächlich, als Chef zurückzutreten und mir die Firma zu übergeben. Er sah mich damals erstaunt an und fragte:
„Ja meinst Du, ich kann das nicht mehr?“
Einen familiengeführten Betrieb zu übergeben, ist (fast immer) ein sehr emotionaler Prozess!
Mein heutiger Blog zu diesem Thema handelt von den – möglichen – Gedanken oder gar Sorgen, die sowohl die Übergeber als auch die Übernehmer oftmals beschäftigen, leider auch manchmal plagen.
Selbstverständlich war mein Vater damals noch in der Lage, die Firma, die er gegründet und aufgebaut hat, zu führen – auch alleine. Ohne mich! Aber genau das war mein Problem: Ich hatte in diesen 13 Jahren wenig Erfolgserlebnisse verspürt. Mein Vater war sehr autoritär, sehr präsent und hat mir als „Papas Sohn“ zu wenig Luft gelassen. Ich hatte das Gefühl, unsere Firma wäre ohne mich genauso gelaufen.
Je frühzeitiger man sich als Übergeber aber auch als potentieller Übernehmer über eine Nachfolge Gedanken macht, desto besser. Das beginnt schon beim Aufsetzen des Testaments. Und der folgenden Transparenz gegenüber den Kindern, damit diese auch Zeit haben, sich auf eine allfällige Unternehmensübernahme vorzubereiten. Schule, Fachausbildung, Studium usw.
Schon in diesem Stadium sollten sich auch die Kinder überlegen, ob sie für eine Übernahme bereit sind, ob sie die dazu passenden Talente und Stärken besitzen und ob es auch ihren Bedürfnissen oder gar ihrer Lebensvision entsprechen würde.
Dabei kann ein „Berufungscoaching“ sehr hilfreich sein. Zu oft begehen Eltern den Fehler, ihre Kinder schon frühzeitig zu „überreden“, in ihre Fußstapfen zu treten, d. h. ihr Unternehmen, ihre Praxis, Kanzlei oder Ordination zu übernehmen – ohne sich aufrichtig zu überlegen, ob diese dazu überhaupt die Anlagen und Fähigkeiten haben und das auch wollen.
Schon als ich 10 Jahre alt war, hatte mein Vater zu mir gesagt: „Du wirst einmal meine Firma übernehmen“. Es war sein starker Wunsch, den er in den folgenden Jahren auch mehrmals wiederholte. Und ich habe ihm vertraut. Darauf, dass er mich richtig einschätzt. Denn wurde ich als Jugendlicher damals gefragt, was ich gerne machen würde, hätte mein Vater keine Fabrik, gab ich als Antwort wie aus der Pistole geschossen: „Schauspieler oder Fotograf“. Beides hätte, glaube ich, auch gepasst. Ob auch erfolgreich, das kann man nicht wissen. Die Übernahme der Firma ist in meinem Fall gut gegangen, hätte aber auch schief gehen können.
In meinen zahlreichen Workshops für Unternehmensübergaben habe ich überraschend festgestellt, dass sich fast alle Übergeber und potenziellen Übernehmer die gleichen Fragen stellten und sich die gleichen Sorgen teilten:
Die Übergeber:
- Wie gestalte ich mein Testament?
- Sind meine Tochter / mein Sohn dafür geeignet?
- Entspricht die Führung eines Betriebes ihrer / seiner Lebensvision?
- Schätzen meine Kinder das, was ich ihnen übergebe?
- Wollen sie das wirklich? Oder folgen sie mir nur, weil sie wissen, wie wichtig das für mich ist?
- Wie löse ich vernünftig die Übergabe, wenn ich zwei oder mehrere Kinder habe?
- Was mache ich nachher, wenn ich einmal abgetreten bin?
- Schaffe ich es „loszulassen“?
- Welche Rolle in der Firma könnte ich noch übernehmen, ohne mich zu viel einzumischen?
- Wie kann ich nach der Übergabe noch finanziell versorgt bleiben?
- Oder wenn die Firma schon von Geschwistern oder Verwandten geführt wird und ein Anspruch auf Mitarbeit oder Führungsposition von deren Kindern besteht?
- Und andere mehr….
Die Übernehmer:
- Bin ich sicher, dass ich das überhaupt will?
- Entspricht das meiner Lebensvision?
- Habe ich die Kompetenz zur Führung eines Unternehmens?
- Gibt es Umstände, die einer Firmenübernahme entgegenstehen?
- Wenn ich Geschwister habe, die ebenfalls in den Betrieb wollen, kann ich mit denen?
- Wie könnten wir die Aufgaben verteilen, damit möglichst keine bzw. wenig Unstimmigkeiten entstehen, die den Erfolg des Unternehmens belasten?
- Und einige mehr….
Rückblickend glaube ich fest daran, dass meinem Vater und mir bei der Firmenübergabe ein außenstehender Dritter, Berater oder Coach sehr geholfen hätte. Ich kann mich an viele, sehr emotional geführte Gespräche erinnern, in denen wir beide uns nicht wirklich getraut haben, ganz offen unsere Gedanken, Ängste und Sorgen auszusprechen.
Diese Erfahrung, verbunden mit meinen weiteren Ausbildungen als Wirtschafts- und Berufungscoach mit mittlerweile 13-jähriger Praxis, haben mich dazu bewogen, familiengeführte Unternehmen beim Thema Unternehmensübergabe zu beraten bzw. zu begleiten. Dies alles selbstverständlich neben einer Beratung durch Anwalt, Steuerberater und Finanzinstitut.
Der Prozess beginnt in den meisten Fällen mit einem Erstgespräch mit den Übergebern über Anliegen, Ziel und Auftrag. In der Folge führe ich dann Einzelgespräche mit allen in den Übernahmeprozess involvierten Personen über deren Vorstellungen und Anliegen. Weitere Gespräche folgen dann je nach Entwicklung und Bedarf in Einzel- oder Gruppengesprächen – bis zu einer (möglichst für alle Beteiligten) befriedigenden Lösung.
Die Dauer des Prozesses hängt von der Dauer, der Intensität und den Intervallen zwischen den Gesprächen ab. Außerdem von den zeitlichen Ressourcen aller Beteiligten sowie von der Klärung aller steuer-/rechtlichen Fragen.
Wir von MH-Seidler, Psychotherapie und Coaching sind Experten auf diesem Gebiet. Wir beraten und begleiten Sie bei Ihrem Übergabe- bzw. Übernahmeprozess in einem geschützten Raum – erfahren, kompetent, wertschätzend und verständnisvoll.
Gerne bieten wir auch nach der Übergabe eine Begleitung einer oder beider Parteien an – durch Coaching, Mentoring, Monitoring, Training und mentaler Unterstützung!